11 Pilotprojekte: Die Pioniere der Sanitärwende

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11 Pilotprojekte: Die Pioniere der Sanitärwende

Eine große Maschine verwertet Ausscheidungen in Form von Klärschlamm.
Recycling von menschlichem Kot und Urin ist eine große Zukunftschance und der nächste Schritt zu mehr Nachhaltigkeit. Mit diesen 11 Pilotprojekten setzen sich immer mehr Personen für die Sanitärwende ein.
  • Wir trennen unseren Hausmüll, sammeln brav Altglas, Papier, Plastik oder Metall, damit daraus wieder neue Produkte entstehen. Bei unseren Fäkalien hinken wir aber hinterher – auch sie könnten getrennt gesammelt und recycelt werden. Voraussetzung dafür ist eine Trockentrenntoilette (oder Komposttoilette), wie sie Anbieter:innen und Vermieter:innen für mobile Klos oder Campingtoiletten im Programm haben, etwa öKlo aus Wolkersdorf in Niederösterreich.öKlo vertreibt und verleiht jedoch nicht nur umweltfreundliche Klos, sondern engagiert sich seit Jahren für die sogenannte Sanitärwende. Auch internationale Unternehmen und Privatleute haben das Ziel, menschliche Hinterlassenschaften früher oder später als Grundlage für Humusdünger in der Landwirtschaft einzusetzen.Damit soll eine Kreislaufwirtschaft von Essen, Kacken und Düngen in Schwung gebracht werden. Urin und Fäzes werden dabei so aufbereitet, dass sie – ohne Umweltbelastung durch Medikamente oder Hormone – als Nährstoffe wieder in die Natur zurückgelangen können.

    Dünger aus Urin

    Noch ist es in Österreich und auch EU-weit verboten, menschliche Fäkalien auf landwirtschaftlichen Nutzflächen als Düngemittel auszubringen. Eine neue Düngemittelverordnung der Europäischen Union vom 16. Juli 2022 macht es immerhin möglich, aus Urin gewonnenen Dünger herzustellen und in Umlauf zu bringen. Damit erfolgt zumindest ein erster Schritt in Richtung Ökologisierung des Sanitärmarktes.

    Kompostierung von Kot hingegen ist bislang nur im privaten Bereich oder für Pilotprojekte gestattet.

    Pilotprojekte als Vorreiter

    Die deutsche Firma Finizio hat gemeinsam mit dem Hamburger Start-up Goldeimer im Jahr 2020 ein solches Projekt gestartet. Erstmals durfte auf einem Testgelände Humusdünger aus dem Inhalt von Trockentoiletten verwendet werden. Im Jahr darauf wurde der erste Roggen geerntet. Das Projekt lief laut Betreibern erfolgreich. Man lerne jedoch noch und arbeite an Verbesserungen.

    In der Schweiz hingegen gibt es mit Aurin seit 2018 bereits einen aus Urin recycelten Flüssigdünger, entwickelt vom Unternehmen Greenport. Er ist für essbare Pflanzen als Düngemittel zugelassen, seit 2022 auch in Österreich. Das Herstellungsverfahren – auch für das Bodensubstrat “Terra Preta” aus menschlichen Fäkalien – ist jedoch aufwändig und teuer, daher ist die kommerzielle Nutzung noch nicht weit fortgeschritten.

    Ein großer Haufen Erde, der als Resultat des Pilotprojektes von Finizio Einsatz als Dünger gefunden hat.
    Feine Erde von Finizio aus Hinterlassenschaften von Festivalbesucher:innen. Foto: Goldeimer

    Auch bei öKlo in Wolkersdorf wird die wissenschaftliche Forschung zur Wiederverwertung von Inhalten aus Trockentoiletten vorangetrieben. Der nach festen und flüssigen Stoffen getrennte “Abfall” aus den Hinterlassenschaften tausender Festivalbesucher:innen soll früher oder später als Humusdünger (Fäzes) eingesetzt bzw. als Struvit, gewonnen aus Urin, zurück in die Natur gelangen. Seit dem Sommer 2022 hat öKlo die erforderliche Zulassung, Struvit herzustellen und in Umlauf zu bringen.

    öKlo hat in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien bereits erfolgreich nachgewiesen, dass eine Wiederverwertung nicht nur möglich, sondern auch unbedenklich für Mensch und Tier ist.

    Bis zu einer kommerziellen Nutzung ist jedoch noch einiges an Forschungsarbeit zu leisten. Ein eigenes Forschungsteam bei öKlo widmet sich dieser Aufgabe. Ein erfolgreicher Feldversuch hat die Weichen für die Zukunft jedenfalls gestellt. Mit Fäkaliendünger behandelte Pflanzen wuchsen deutlich besser als ihre Kameraden, die mit Handelsdünger versorgt wurden.

    Kreislaufwirtschaft

    Urin enthält vor allem die Nährstoffe Phosphor, Stickstoff, Kalium und Schwefel, Kot wiederum ist reich an Kalzium, Magnesium und ebenfalls Phosphor. Auf diese Stoffe haben es die Recycling-Befürworter:innen abgesehen. Gegner:innen des Systems weisen vor allem auf die mögliche Schadstoffbelastung sowie auf die fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung hin. Zudem gebe es Bedenken bezüglich der Lebensmittelsicherheit.

    Das Netzwerk für nachhaltige Sanitärsysteme, kurz NetSan, zu dem unter anderem auch Finizio, Goldeimer, Kompotoi und öKlo gehören, setzt sich für “einen nachhaltigen und klimaschonenden Umgang mit menschlichen Ausscheidungen” ein. Das bedeutet, dass unsere Fäkalien im Sinne einer Kreislaufwirtschaft wieder in die Natur gelangen sollen, nachdem sie einer Hygienisierung unterzogen wurden. Schadstoffe wie toxische Schwermetalle (Blei, Cadmium, Kupfer und Quecksilber), Medikamentenrückstände, Hormone oder Krankheitserreger werden durch Wärmebehandlung abgetötet.

    Auch die Schweizer Firma Kompotoi verfolgt diesen Ansatz und möchte die „Sekundärressourcen“ aus ihren Trockentoiletten zurück in den natürlichen Kreislauf bringen. Sie ist ebenfalls Partner von NetSan. Ziel ist, Trockentoiletten in Lokale und zu mehr Veranstaltungsorten zu bringen, um das Bewusstsein für die Kreislaufwirtschaft in der Bevölkerung zu stärken. Und natürlich auch, um mehr wertvolles Kacki und Pipi zu sammeln. Es gibt also schon einige Pioniere, die bereits jetzt die Zukunft mitgestalten wollen.

    Wasserverschwendung bei WCs

    Der Transport unserer Hinterlassenschaften in die Kläranlage verbraucht bis zu 30.000 Liter Trinkwasser pro Person im Jahr. Durch wassersparende Sanitärlösungen soll das laut NetSan bald der Vergangenheit angehören. Trockentoiletten brauchen gar kein Wasser – es wird mit Sägespänen oder Erde “gespült”. Trinkwasser ist die wohl wertvollste Ressource überhaupt. Durch die zunehmende Erwärmung des Planeten wird es künftig knapper. Schon jetzt sehen wir lange Dürreperioden, zunehmende Hitzewellen und steigende Trockenheit.

    Eine braune Kuh beim Defäkieren. Sie steht auf einer Wiese, im Hintergrund sieht man Hügel mit Nadelbäumen stehen.
    Kuhmist wird als Dünger eingesetzt, menschliche Hinterlassenschaften aber nicht. Foto: adrian millon auf unsplash

    Schon der österreichische Künstler und Umweltaktivist Friedensreich Hundertwasser (1928–2000) plädierte in seinem Manifest “Die heilige Scheisse” aus 1979 für die Wiederverwertung von menschlicher “Scheisse” und die Verwendung von Humustoiletten. Das ist nun mehr als 40 Jahre her.

    „Die Scheiße kommt nie auf unsere Felder zurück,
    auch nie dorthin, wo das Essen herkommt.
    Der Kreislauf vom Essen zur Scheiße funktioniert.
    Der Kreislauf von der Scheiße zum Essen ist unterbrochen.“
    -Friedensreich Hundertwasser

     

    Die große Chance

    Eine Sanitärwende bietet – wie bereits Hundertwasser richtig erkannte – große Zukunftschancen. Bis hinein ins 20. Jahrhundert wurden unsere Felder nicht nur mit Kuhmist und Schweinegülle gedüngt, sondern auch mit den Ausscheidungen der Menschen. Unsere Kacke und unser Pipi können also einen wichtigen Beitrag zu Ressourcenschonung und Umweltschutz leisten.

    Das Beste daran: Sie werden täglich in großen Mengen produziert – und das kostenlos.

    Leuchtturm- und Pilotprojekte zur Sanitärwende:

    Unternehmen, Forschungsabteilungen und Privatleute arbeiten weltweit an Sanitärlösungen für die Zukunft. Im Fokus stehen neben Gesundheitsfragen auch Nachhaltigkeit, Ressourcenschutz und Recycling von menschlichen Ausscheidungen.

    Samsung und die Gates-Stiftung:

    Bill und Melinda Gates, die sich mit einer Person mit dunkler Hautfarbe unterhalten.
    Bill und Melinda Gates setzen sich mit ihrer Stiftung immer wieder für bessere Sanitärlösungen ein. Foto: gatesfoundation.org

    Der wohl bekannteste Vertreter einer sanitären Wende ist Microsoft-Gründer Bill Gates. Seine Bill & Melinda-Gates-Stiftung investierte rund 200 Millionen US-Dollar in die Entwicklung einer neuen Hightech-Toilette, die in ärmeren Regionen der Welt zum Einsatz kommen soll. Milliarden Menschen haben nämlich keinen Zugang zu sauberen Toilettenanlagen oder überhaupt zu einem Klo.

    Zusammen mit dem südkoreanischen Unternehmen Samsung wurde eine Toilette entwickelt, die ohne Wasser und Kanalisation auskommt. Ein eingebautes Klärsystem in den Toiletten wandelt Kot zu Asche als Dünger um und bereitet Urin zu Wasser auf. Gates will so nicht nur eine “Toilettenrevolution” auslösen, sondern vor allem Krankheiten wie Typhus, Cholera oder Durchfall eindämmen. Und gleichzeitig nachhaltigen Dünger auf die Felder der Schwellenländer bringen.

    öKlo und der Beton:

    Fünf graue Gartenzwerge, die auf einem Werktisch stehen.
    Die Gartenzwerge waren der erste Schritt in der Produktion von Naturbeton. Foto: öKlo

    Neu ist dieser Ansatz nicht. Auch manche Hersteller:innen von Trockentrenntoiletten (zum Beispiel öKlo aus Niederösterreich) verfolgen mit ihrer wasserlosen Variante dieses Ziel. Sie arbeiten jedoch nicht mit Hightech, sondern mit simplen Lösungen. Bereits beim Gang aufs Töpfchen werden Fäzes und Urin getrennt gesammelt. Diese können dann durch Wärmebehandlung hygienisiert und von Schadstoffen befreit werden.

    Wertvolle Ressourcen wie Phosphor, Stickstoff, Kalium und Schwefel (im Urin enthalten) sowie Kalzium, Magnesium und wiederum Phosphor (im Kot enthalten) werden extrahiert und können als Dünger zurück in die Landwirtschaft gelangen. Ein organisches Düngemittel also, das jedoch umstritten ist. Eine Bewilligung für dieses Verfahren gibt es daher noch nicht. Lediglich der Dünger aus Harn ist in der Europäischen Union (EU) seit Juli 2022 zugelassen, während er in der Schweiz bereits seit einigen Jahren erlaubt ist.

    Für die nächste Gartensaison hat öKlo aber auch noch andere Ideen: Aus den Hinterlassenschaften der Klos, genauer gesagt aus Kacke, Klopapier und Sägespänen, gemischt in einem gewissen Verhältnis mit Zement, werden Gartenzwerge gemacht. Die fröhlichen Gnome sind keine kleinen Stinker, sondern geruchsneutral und können sogar bemalt werden. Sie fühlen sich im Freien wohl und trotzen Schnee und Regen. Wer weiß, vielleicht rocken sie demnächst österreichische Kleingärten.

    Durch die Erfolge während des ersten Experiments geht dieses auch schon bald in die zweite Runde – zu Ostern dieses Jahr wird eine weitere Testreihe an Gartenfiguren angelegt, dieses mal (passend zur Jahreszeit) mit Hasen. In Zukunft können durch diesen Bio-Beton vielleicht sogar größere Bauprojekte übernommen werden. Durch den geringeren Zement-Anteil ist das Endprodukt leichter, wodurch es sich vor allem für dekorative Elemente eignet. Allerdings ist diese Art des Betons (Holzbeton) theoretisch auch für das Bauen von Häusern geeignet. Könnte man also mehr davon herstellen, wäre es möglich, sich ein ganz eigenes “Scheißhaus” zu bauen.

    Über unser hauseigenes Pilotprojekt halten wir euch natürlich auf dem Laufenden!

    Haiti und der Menschenkot:

    Eine Person mit dunkler Haut trägt ein Fass zu einem Fahrzeug. Sie trägt einen hellgrünen Anzug und einen dunklen Sonnenhut. Im Hintergrund sieht man Palmen.
    Foto: oursoil.org

    In Haiti hat die Nichtregierungsorganisation SOIL ein Projekt umgesetzt, welches nicht nur die sanitären Missstände in einem der ärmsten Länder der Welt verbessert, sondern auch menschlichen Kot zu Dünger aufbereitet. Auch hier spielen Trockentoiletten die Hauptrolle. Sie werden an Haushalte verteilt. Volle Fässer werden abgeholt und die Hinterlassenschaften mit Kohlenstoff versetzt (dazu wird Zuckerrohr verwendet) sechs bis neun Monate lang gelagert. Danach sind Bakterien, Würmer und andere Krankheitserreger nicht mehr nachweisbar und der Nährstoff für Bananenplantagen, Papayas oder Mais ist fertig.

    Laut Angaben der Organisation kommen mehr als 500 Tonnen Humusdünger jährlich zusammen. Haiti ist von der Klimakrise besonders betroffen, obwohl pro Person 82-mal weniger CO2 ausgestoßen wird als in den USA. SOIL ist seit dem Jahr 2009 im rund elf Millionen Einwohner:innen zählenden Inselstaat aktiv und macht vor, dass das Kompostieren und Verwerten von menschlichen Fäkalien einfach möglich ist.

    Ähnliches kennen wir bereits in Europa, wo es ebenfalls solche Projekte gibt. Das Schweizer Unternehmen Kompotoi, die deutschen Firmen Finizio, Eco Toiletten, Goldeimer und andere oder die Franzosen Uritrottoir und Kazuba arbeiten ebenso wie öKlo an der Wiederverwertung menschlicher Hinterlassenschaften. Dabei wird mit den unterschiedlichsten Verwertungsmethoden gearbeitet.

    Laufen und die Serienreife:

    Eine blaue Trenntoilette.
    Prototyp einer “Blue Diversion”-Hocktoilette, die Urin abtrennt und sammelt. Foto: bluediversiontoilet.com

    Das Schweizer Sanitärunternehmen Laufen und das Designstudio EOOS aus Österreich entwickelten in Zusammenarbeit mit der Eawag, das ist die Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz, die erste serienreife Separationstoilette. Ermöglicht hat dies ein Stipendium der Gates-Stiftung.

    Urin, Kot und Grauwasser werden bereits an der Quelle, sprich beim Gang auf die Toilette, getrennt gesammelt, um eine spätere Wiederverwertung zu erleichtern. Das treffend “save!” genannte WC verfügt über eine eingebaute “Urin-Falle”, die es möglich macht, den Urin extra zu sammeln.

    Das nächste Projekt für intelligente Sanitärlösungen ist eine Urintrennende Hocktoilette. Sie soll in armen Ländern zum Einsatz kommen. Das Design wird zur Verfügung gestellt, sodass die Schwellenländer selbst produzieren können. Ziel ist, die teilweise katastrophalen sanitären Bedingungen in vielen Staaten dieser Welt zu verbessern. Noch werden jedoch Partner oder Investoren zur Umsetzung gesucht.

    Israel und die Kohle

    Eine Grafik zur Darstellung, wie durch hohe Temperaturen feste und flüssige Phase geteilt werden.
    Grafik: sciencedirect.com

    Wissenschaftler der Ben Gurion-Universität in Beersheva versuchen, viel Energie aus einer Toilette herauszuholen. Deshalb haben sie im Labor menschlichen Kot unter starkem Hitzeeinfluss zu Kohle gepresst. Dabei wird die nasse Biomasse auf 180 bis 250 Grad erhitzt und so getrocknet. Übrig bleibt ein nährstoffreiches Produkt, die Hydrokohle. Das Verfahren dauert nur wenige Minuten bis Stunden und hat, so die Forscher, drei- bis viermal mehr Energie erzeugt als bei einem Klobesuch (Spülung und Transport in die Kläranlage) verschwendet wird. Die Energiebilanz ist also positiv.

    Davor gab es bereits derartige Versuche mit Hühnerkot, der in Kohle umgewandelt wurde. Sie hat 24 Prozent mehr Energie als normale biologische Kohle.

    Mit der Biokohle könnte man also künftig Toiletten zu Energielieferanten machen. Geplant ist auch eine Toilette, in der ein eingebautes Druckgefäß den Kot direkt zu Kohle presst. Das würde auch viele Sanitärprobleme der Welt lösen können, meinen die Israelis. Doch dieser Plan ist noch Zukunftsmusik.

    Kenia und die Eimertoiletten

    Im ostafrikanischen Kenia geht das Unternehmen Sanivation einen anderen Weg der Fäkalienverwertung. Aus getrocknetem Klärschlamm wird Biomassebrennstoff, genannt SuperLogs, hergestellt. Die Briketts helfen dabei, Brennholz zu sparen und somit die Abholzung der Wälder zu verringern. Außerdem werden lokale Arbeitsplätze geschaffen und der Klärschlamm nicht mehr ausschließlich in Gewässer geleitet.

    Das Land mit einer Bevölkerung von etwa 50 Millionen verfügt über so gut wie keine Kanalisation, üblich sind sogenannte Eimertoiletten, in denen Fäkalien gesammelt werden. Beispielsweise als Biogas wird menschlicher Kot in Kenia verwendet. Pflanzenreste und Fäkalien werden einem Fäulnisprozess ausgesetzt, bei dem Gas entsteht. Dieses kann dann etwa zum Kochen genutzt werden. Selbst wenn bisher nur kleine Projekte ohne wirtschaftlichen Profit zum Einsatz kommen, ist ein erster wichtiger Schritt für Kenia getan. Gerade dort könnten die Auswirkungen von Pilotprojekten oder erfolgreicher Sanitärwende einen großen Unterschied bieten.

    Ähnliche Projekte laufen übrigens auch in Ghana, Uganda und anderen afrikanischen Ländern. Gerade für Schwellenländer könnte Recycling von menschlichen Ausscheidungen für eine wesentliche Verbesserung der Versorgungslage sorgen. Es fehlt bisher nicht nur an medizinischer Versorgung, sondern auch an Hygienestandards, sauberem Trinkwasser und vor allem an einer sanitären Infrastruktur.

    China und die Düngemittel

    Auch in China hat man die Vorteile der Wiederverwertung menschlicher Ausscheidungen bereits erkannt. In der Hauptstadt Peking steht eine Anlage, die Fäkalschlamm in Dünger und Harn in Biogas verwandelt. Feststoffe werden 60 Tage lang fermentiert, um Schadstoffe, Würmer und Bakterien abzutöten. So wird Kot zu einem nährstoffreichen Düngemittel. Die Flüssigstoffe, sprich der Urin, werden abgetrennt, in Tanks gesammelt und für Biogas verwendet.

    Rund 800 Tonnen Fäkalschlamm verarbeitet die Anlage täglich. Die Methode ist also auch hier dieselbe wie anderswo – Trennung von Urin und Kot. Erst dann ist eine Wiederverwertung möglich. Mit seinen mittlerweile weit mehr als 1,4 Milliarden Menschen ist das Potenzial für derartige Systeme im Land der Mitte schier endlos. Zudem verfügt China auch über die Mittel, derartige Projekte zu realisieren.

    Indien und die Würmer

    Eine Grafik, die im Detail darstellt, wie tiger-toiletten funktionieren.
    Eine genau Veranschaulichung der Funktion. Grafik: tigertoilet.in

    Bereits 2027 wird Indien das bevölkerungsreichste Land der Erde sein und damit China ablösen. Derzeit leben in Indien etwa 1,3 Milliarden Menschen in großteils sehr ärmlichen Verhältnissen ohne ausreichende sanitäre Versorgung. Eine Wurm-Toilette soll der Anfang zu mehr Anstrengungen sein, die hygienischen Verhältnisse zu verbessern.

    Die wasserlose sogenannte tiger-toilet (benannt nach den Kompostwürmern, in engl. tiger worms) funktioniert mit in den Boden eingelassenen Behältern zum Sammeln der Fäkalien. Dort sind Kompostwürmer gemeinsam mit Bakterien dafür verantwortlich, dass der Kot in Kompost umgewandelt wird. Ein simples Verfahren, von dem der Benutzer/die Benutzerin nichts merkt. Die Würmer ernähren sich von den Fäkalien und bleiben daher dort, wo sie sind.

    Freilich gibt es derartige Klos erst in geringer Anzahl. Die Sanitärprobleme in Indien lösen sie bedauerlicherweise nicht. Weiterhin müssen vor allem die Frauen der kastenlosen Dalit als Latrinenputzerinnen ihr karges Dasein fristen. Teils mit bloßen Händen sammeln sie täglich Fäkalien aus den Latrinen höher stehender Kasten ein oder säubern öffentliche Plätze von den Hinterlassenschaften.

    Dänemark und das Urin-Bier

    Das Roskilde-Festival in Dänemark ist eines der größten Musikevents Europas. Die kleine Brauerei Norrebro Bryghus in Kopenhagen sammelte 2017 den Urin der Gäste ein, um damit Bier zu brauen. Es kamen 50.000 Liter Harn zusammen. Bier aus Urin klingt nun nicht gerade einladend, nicht wahr? Doch es kann Entwarnung gegeben werden: Es wurde lediglich die Braugerste des Pisner (sic!) mit Urin gedüngt, das Getränk selbst enthält natürlich keinen Urin.

    Selbst wenn es sich wahrscheinlich um einen lustigen Marketing-Gag handelte, könnte das Projekt beispielgebend sein. Es zeigt, wie gut Urin als Düngemittel ist. Der Vorschlag zum Beercycling kam übrigens vom dänischen Landwirtschaftsministerium.

    In Singapur hingegen wird Bier der Brauerei “Brewerkz” versuchsweise mit geklärtem Abwasser gebraut, um auf die Wasserknappheit aufmerksam zu machen. Eine ähnliche Initiative gab es zu Werbezwecken auch schon 2017 in San Diego, USA.

    England und der Fäkalienbus

    Ein Bus, der durch eine grüne Landschaft fährt. Auf der Seite sind fünf Personen, die alle auf der Toilette sitzen, abgebildet.
    In England verkehrt ein „Kack-Bus“, der mit menschlichen Fäkalien angetrieben wird. Foto: © Wessexwater.co.uk

    Auf der Strecke vom englischen Bristol nach Barth verkehrt seit einigen Jahren ein Linienbus, der mit Biogas aus menschlichen Fäkalien angetrieben wird. Auch organische Abfälle wie Lebensmittelreste kommen zum Einsatz. Für eine Reichweite von 300 Kilometern benötigt man die jährliche Menge an Ausscheidungen von lediglich fünf Personen. Bei dem von den Brit:innen liebevoll “Poo-Bus” genannten Transportmittel mit Platz für 40 Personen wird also statt Diesel Bio-Methan eingesetzt, was deutlich ökologischer ist.

    Dieses Pilotprojekt zeigt vor, wie gut Kot genutzt werden kann. Generell lässt sich sagen, dass der Einsatz von menschlichen Hinterlassenschaften als Biogas zwar noch am Anfang steht, jedoch immer mehr Pilotprojekte versuchen, den Mist der Menschen sinnvoll zu nutzen.

    Mit Fäkalien kann Biogas erzeugt, geheizt und gedüngt werden, aus Urin lassen sich Dünger und Trinkwasser gewinnen. Allerdings ist die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber dem Rohstoff noch gering, zudem lassen sich bisher kaum wirtschaftliche Erfolge erzielen.

    Washington und der OmniProcessor:

    Eine Grafik zur Veranschaulichung, wie genau der Omniprozessor funktioniert. Zuerst werden feste und flüssige Stoffe getrennt, dann verarbeitet. Mithilfe der festen Stoffe wird durch Verbrennung Dampf erzeugt und damit ein Kraftwerk angetrieben. Die flüssigen Stoffe werden weiter zu reinem Trinkwasser verarbeitet.
    Der Prozessor verwertet sowohl feste als auch flüssige Stoffe. Grafik: sedron.com

    Gefördert von der Gates-Stiftung, entwickelte das Unternehmen Sedron Technologies im US-Bundesstaat Washington als Pilotprojekt eine Anlage zur Fäkalienverwertung, die klein, kostengünstig und effizient arbeitet. Sie soll vor allem in Schwellenländern zur Stromerzeugung und Trinkwassergewinnung zum Einsatz kommen. Der sogenannte Janicki OmniProcessor wandelt Abfall durch Verbrennung in Energie um und speist daraus seinen eigenen Strombedarf. Die verbleibende Asche kann als Dünger verwendet werden, da sie Phosphor und Kalium enthält.

    Aus dem Urin von 100.000 Menschen kann der Prozessor zudem 86.000 Liter Trinkwasser herstellen, wie Bill Gates in einem Blog schreibt. Durch Fäkalien verschmutztes Wasser ist in armen Ländern für viele Krankheiten (wie Cholera, Typhus und Durchfallerkrankungen) verantwortlich und kostet jährlich etwa 700.000 Kindern das Leben. Menschenleben, die durch eine erfolgreiche Sanitärwende gerettet werden könnten.

    Und darauf kommt es mehr an als auf alles andere!

     

    Quellen und weiterführende Informationen zu Pilotprojekten:

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