Von der Industrie großflächig eingesetzt, stecken sie bereits in uns allen: 4700 verschiedene Substanzen umfasst die Gruppe der Industriechemikalien PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen).
Diese Chemikalien finden seit den 1950er-Jahren in Industrie- und Haushaltsprodukten Verwendung. Sie kommen zum Beispiel in Kosmetika, Schuhen, Kleidung wie etwa Regenjacken, Pfannen, Lebensmittelverpackungen, Nahrungsmitteln, Backpapier, Pizzakartons, Klopapier oder Löschschaum, Farben und Lacken vor.
Viele dieser industriell erzeugten chemischen Verbindungen sind äußerst langlebig und als besorgniserregend eingestuft. In Europa gibt es zumindest elf Produktionsstätten für PFAS – in Deutschland, Italien, Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien.
PFAS reichern sich in der Umwelt, in Böden, im Trinkwasser oder Regenwasser oder auch der Luft an und sind hochtoxisch. Die Schadstoffe sind langlebige Chemikalien: Sind sie einmal da, lassen sie sich auch so gut wie nicht mehr entfernen. Nicht umsonst werden PFAS auch „ewige Chemikalien“ oder „Ewigkeitschemikalien“ genannt.
Beeinträchtigung über Generationen
PFAS sind nämlich eine Stoffgruppe äußerst widerstandsfähiger Umweltschadstoffe. Sie gelten als die langlebigsten Substanzen, die jemals von Menschen hergestellt wurden, schreibt das österreichische Umweltbundesamt.
Weiter heißt es ebendort: „Da diese Substanzen aber entweder selbst oder ihre Abbauprodukte extrem persistent sind, verbleiben sie weit über den Produktlebenszyklus hinaus weiterhin in den Stoffströmen und im Ökosystem. Daher können sie die Umwelt und die menschliche Gesundheit auf Generationen hinaus beeinträchtigen.“
Maria Uhl, Expertin beim Umweltbundesamt, erklärt auf öKlo-Anfrage vom März 2023, es werde derzeit ein nationaler Aktionsplan ausgearbeitet. „Viele österreichische Behörden, sowohl auf nationaler als auch auf Bundesländer-Ebene, beschäftigen sich derzeit mit der PFAS-Belastung und deren Eindämmung und Verhinderung“, so Uhl.
Es seien bereits zahlreiche, insbesondere die besonders giftigen, längerkettigen PFAS-Substanzen, seit Jahren in Österreich, teilweise in der EU und teilweise weltweit verboten. „Aufgrund der Langlebigkeit der Substanzen sind sie leider immer noch in der Umwelt und in den Lebewesen vorhanden und nachweisbar“, sagt die Expertin.
Gesundheitliche Risiken
Risiken, die für die Gesundheit der Menschen bestehen, sind beispielsweise
- Schilddrüsenerkrankungen
- Fettleibigkeit
- Fruchtbarkeitsbeeinträchtigungen
- Krebs
- Schäden der Leber
- Erhöhter Cholesterinspiegel
- Geringes Geburtsgewicht bei Neugeborenen
- Beeinträchtigung des Immunsystems
Die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) stellte 2018 in einer Risikobewertung fest, dass ein „beträchtlicher Teil“ der Europäerinnen und Europäer über die Nahrungskette Konzentrationen perfluorierten Alkylverbindungen ausgesetzt ist, die „bis zu 25-fach über der wöchentlichen tolerierbaren Aufnahmedosis liegen“.
Belastungen über die Nahrung können vor allem auch für den Körper der Kinder gefährlich sein, da sie das Immunsystem schwächen. Die Lage ist also ernst.
Neben Klimawandel und Klimakrise, dem Verschwinden der Artenvielfalt und dem Schrumpfen der Biodiversität ist der Einsatz von PFAS für Bürger:innen aller Staaten ein Problem. Gegen dieses gibt es bisher keinen Schutz – die Konzentration davon in Alltagsprodukten ist unser stetiger Begleiter.
Wer von uns Verbraucherinnen und Verbrauchern würde schon ahnen, dass die Regenjacke, die Kosmetik, der Imprägnier-Spray, das Essen oder die Beschichtungen von Pfannen so giftig sind?
Alternativen zu PFAS sind noch nicht gefunden. Und ihre Verbreitung nimmt Tag für Tag zu.
In die Umwelt gelangen PFAS auch durch die Ausbringung von Abwasser oder Klärschlamm in der Landwirtschaft. So kommen sie auf unsere Felder und können auch ins Grundwasser sickern. In Toilettenpapier kommen sie ebenfalls vor und finden mit dem Papier den Weg in die Abwasserkanäle. Selbst Verbrennung kann PFAS nichts anhaben. Sie bleiben in der Asche erhalten.
Für Böden oder Klärschlammkompost gibt es laut Umweltbundesamt derzeit keine aktuellen PFAS-Grenzwerte.
Jüngste Berichte in den Medien über die Gefahren von PFAS haben nun die Öffentlichkeit wachgerüttelt.
öKlo und das Toilettenpapier
PFAS ist auch für öKlo ein ernstes Thema. Wir sind ein durch und durch nachhaltiges Unternehmen und legen allergrößten Wert auf die Bewahrung der Natur. Aus Umweltschutzgründen verwenden wir nur biologische Reinigungsmittel oder recyceltes Klopapier – doch auch diese Produkte könnten mit PFAS belastet sein, wie wir indessen gelernt haben.
Für uns ist diese Problematik neu, doch wir haben umgehend reagiert. Wir haben sofort unsere beiden Toilettenpapier-Lieferanten um Auskunft über ihre Zusatzstoffe ersucht. Auch sie sind jetzt verunsichert und müssen erst die Hersteller um Prüfung bzw. Analyse bitten.
Einer unserer Toilettenpapier-Lieferer antwortet auf unsere Anfrage folgendermaßen:
„Wir erwarten hier das Feedback unseres Herstellers. Nichtsdestotrotz werden wir eine unabhängige Prüfung der Papiere in Auftrag geben, um sicherzustellen, dass wir genaue Angaben über eventuelle Verunreinigungen mit PFAS erhalten werden. (…) Da nicht der komplette Herstellungsprozess vom Rohmaterial zum Endprodukt durch unseren Hersteller abgedeckt wird, halten wir eine externe Prüfung für die beste Lösung.“
Der zweite Papier-Lieferant gibt uns eine ähnliche Auskunft:
„Es tut mir leid, dass ich zu diesem Thema noch keine Information für dich habe, wir stehen diesbzgl. bereits in Kontakt mit unseren Herstellern und warten auf eine Stellungnahme. (…) Sobald ich eine Rückmeldung habe, werde ich mich umgehend bei dir melden.“
Prüfungen und Analysen können längere Zeit dauern, sodass wir die Ergebnisse abwarten müssen, bevor wir weitere Schritte einleiten können.
öKlo und die Toilettenproduktion
Für die Produktion von Toiletten und die Forschung bei öKlo zur Kompostierung menschlicher Fäkalien hat die Thematik ebenfalls Auswirkungen. Wir müssen neue Informationen einholen, um eine PFAS-Belastung auszuschließen.
Studien aus den USA haben gezeigt, dass Kompostierung alleine PFAS nicht abbaut. Diese sind, wie erwähnt, so gut wie nicht mehr aus einem Kreislauf zu entfernen. Forschungen, wie eine Entfernung künftig gelingen kann, laufen noch.
Eine Möglichkeit zur Sanierung von verseuchten Böden oder Grundwasser könnte der Anbau von Hanfpflanzen sein. Versuche in Australien und Schweden zeigten, dass Hanf die PFAS aus kontaminierten Böden grundsätzlich gut aufnehmen kann. Der theoretische Sanierungszeitraum hierfür wurde jedoch von Schweden mit 13 bis 31.000 Jahre berechnet. Zudem ist ungeklärt, wohin dann mit den belasteten Pflanzen.
Auch Pilze können Schadstoffe aufnehmen und wären eventuell geeignet.
Bei öKlo passiert die Kompostierung von Fäkalien mittels thermischer Behandlung durch Vermischung mit Additiven. Ob dadurch PFAS zerstört werden können, bleibt unklar. Noch ist allerdings nicht einmal erwiesen, ob es überhaupt eine PFAS-Belastung gibt. Zudem enthalten Urin und Fäkalien – wenn überhaupt – nur geringe PFAS-Mengen.
Es ist aber davon auszugehen, dass ihr Eintrag in der Umwelt, in unseren Haushalten und im Wasser bereits recht groß ist.
Farben, Lacke und Leim werden in der öKlo-Werkstatt zum Bau unserer Klos benötigt. Auch diese Erzeuger:innen haben wir umgehend um eine Stellungnahme gebeten. Antworten auf unsere Fragen bei den Hersteller:innen werden wir schnellstmöglich nachreichen, sobald diese eingetroffen sind.
Sollten unsere Recherchen ergeben, dass in einem unserer Produkte ein PFAS-Problem auftaucht – wovon wir laut derzeitigen Wissensstands nicht ausgehen – wird dieses selbstverständlich sofort aus unserem Sortiment geworfen.
Rasches Handeln ist gefragt
Fest steht, dass das Problem PFAS und ihrer Eigenschaften national wie international bisher anscheinend nicht ernst genug genommen wurde. Nun ist Feuer am Dach und es gilt rasch zu handeln.
Die Länder Deutschland, Dänemark, Schweden, Niederlande und Norwegen haben im Jänner 2023 bei der europäischen Chemikalienagentur ECHA einen Vorschlag zur Beschränkung aller PFAS-Stoffe eingebracht. Bis hier jedoch eine Entscheidung fällt, können noch Jahre vergehen.
Hier muss die Politik endlich und rasch reagieren, um uns zu schützen. Wir alle wollen Nachhaltigkeit und Vielfalt auf unserem Planeten. Die EU-Kommission steht nun auf dem Prüfstand. Sie muss mit allen Mitteln Druck auf die Hersteller:innen ausüben, offene Fragen klären, die Untersuchungen zu den Gefahren von PFAS vorantreiben sowie jedem Verdacht nachgehen.
Bisher haben all die Expertinnen und Experten das leider nicht getan. Die Folgen tragen bedauerlicherweise wir alle.
Fazit: Es steht bei diesem Thema nicht in der Macht der Konsumentinnen und Konsumenten, Maßnahmen zur Vermeidung von PFAS zu ergreifen. Denn sie kommen nicht nur in sehr vielen Gebrauchsgegenständen und Lebensmitteln sowie Verpackungen vor, sondern bereits in Grund-, Trink- und Regenwasser, in der Luft und im Boden.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Österreichisches Umweltbundesamt: Studie PFAS – Überblick und Situation in Österreich
- Europäische Umweltagentur: Was sind PFAS und inwiefern sind sie für meine Gesundheit gefährlich?
- Wikipedia: Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen
- Galileo: Warum die ewigen Chemikalien verboten werden sollten
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