Der deutsche Literatur- und Kulturwissenschaftler Gerhard Oberlin greift in seinem Sachbuch “Die Gesellschaft von unten” ein Tabuthema auf. Er widmet sich ausführlich unserem Umgang mit Fäkalien und beleuchtet die Materie aus kulturgeschichtlicher und literaturhistorischer Perspektive. Das ist durchaus spannend, überraschend und unterhaltsam.
Nicht immer war der Klogang eine Sache, die hinter verschlossenen Türen stattfand und über die nicht geredet wurde. Wir brauchen uns nur an die Römer:innen erinnern, die ihr Geschäft in aller Öffentlichkeit verrichteten.
Dies hat sich gründlich geändert. Das geheime, versteckte, verborgene unseres Toilettenganges und die Tabuisierung auch in der Sprache führe zu Zwangscharakteren und neurotischen Verdrängungskrankheiten, meint der Autor.
Im ersten Buchabschnitt zitiert Oberlin Werke berühmter Persönlichkeiten, die sich mit dem Thema Fäkalien auseinandergesetzt haben und unternimmt den Versuch, sie zu interpretieren. Natürlich darf hier vor allem auch Sigmund Freud mit seiner Analerotik (1908) nicht fehlen.
Im zweiten Teil des Buches beleuchtet Oberlin unter anderem zuerst unseren Umgang mit Hygiene. Unser Reinlichkeitsverhalten offenbare den Grad unserer sozialen Einstellung, meint der Autor. Er schreibt: “Überall, wo niemand zusieht, kann strengste Disziplin entgleisen, selbst wenn andere das Nachsehen haben.”
Dies erkläre auch, warum öffentliche Toiletten immer schmutzig seien. Unser Verhalten ist unter Beobachtung ein anderes als in aller Stille – das mache unseren Intimauftritt unberechenbar, so der Autor. Im Klartext: Wir sind also ziemliche Schweinderln, wenn uns niemand sieht.
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