Wir wissen es nicht genau: haben die Neandertaler, Verwandte des Homo sapiens, des modernen Menschen also, bereits geflucht, Schimpfwörter gekannt und derbe Sprüche in Fäkalsprache geklopft? Leider gibt es keine Belege dafür, wie die Sprache dieser ersten Menschen funktionierte. Als gesichert gilt jedoch, dass sie über eine Sprache als Kommunikationsmittel verfügten.
Klarer wird die Lage, wenn man die jüngere Geschichte der Menschheit betrachtet. Schauen wir bei den alten Römern vorbei: Das gemeine Volk, also der Pöbel (lateinisch vulgus) hat sich – in diesem Falle wortwörtlich – nichts geschissen und sich der vulgären Sprache bedient. Sie war zur Römerzeit weit verbreitet. Sogar die Senatoren, Schriftgelehrten und Kaiser drückten sich keineswegs immer vornehm aus, sondern verwendeten Begriffe wie „Halunke“, „abscheulicher Schurke“ oder „Pestbeule“. Ausdrücke der Vulgärsprache, die wir sogar heute noch kennen.
Bis hinein ins 19. Jahrhundert war die Fäkal- oder Vulgärsprache das Ausdrucksmittel der Massen. Gebildete Schichten hingegen sprachen eher gewählt und hoben sich so vom gewöhnlichen Volk ab. Sie redeten etwa vom „Allerwertesten“ anstatt „Arsch“ zu sagen. Langsam wurde die obszöne, rohe, teils sexualisierte Sprache also zurückgedrängt – jedenfalls im geschriebenen Wort. In der Mundart hat sie sich bis heute erhalten.
Fäkalsprache spielt meist auf einen „unreinen“ Körperteil oder die Sexualität an, die mit Scham, Tabus oder Ekel behaftet sind – „Arschloch“ etwa, „Fick dich“ oder „Hurensohn“. Viele obszöne Begriffe überlebten bis in die heutige Zeit. Fäkalsprache ist ein Ausdruckselement der Umgangssprache, die eher den unteren Zehntausend, der Primitivkultur, zugeschrieben wird.
Aber seien wir doch ehrlich: Wer von uns hat noch nie „Geh scheißen“ oder „da scheiß ich doch drauf“ verwendet? Manchmal ist „die Kacke am dampfen“, dann wieder „macht man sich nicht in die Hose“ oder es geht einem doch „der Arsch auf Grundeis“. Es gibt Menschen, die leben „Am Arsch der Welt“ oder haben die „Arschkarte“ gezogen.
Wir „gehen auf den Topf“, lassen uns mitunter „bescheißen“, „kümmern uns einen Scheißdreck“ oder „reißen uns den Arsch auf“ und „wühlen in der Scheiße“. Diese Liste ließe sich schier endlos fortsetzen.
Aus dem Englischen übernahmen wir „Fuck you“ und „Shit“, aus dem Italienischen „cazzo“, ein Vulgärausdruck für Penis, mit dem unsere Nachbar:innen gerne fluchen, oder „merde“ aus dem Französischen. Jedes Land und jedes Volk kennt eigene Flüche und Kraftausdrücke.
Immer wieder werden auch Synonyme verwendet, die eine volkstümliche Umschreibung darstellen. Zum Beispiel: Für „Durchfall“ kennt der Volksmund Wörter wie „Scheißeritis“ oder „Dünnschiss“, „Flitzeritis“ oder „das Rinnerte“.
„Leck mich am Arsch“
Das wohl berühmteste Zitat der Geschichte lieferte einst Johann Wolfgang von Goethe mit dem „Götz-Zitat“: „Sag ihm (…), er kann mich im Arsche lecken“. Gottfried „Götz“ von Berlichingen (1480–1562) war ein fränkischer Reichsritter und bekannt als der Mann mit der eisernen Faust. Der Ausdruck bedeutet heute so viel wie „Lass mich in Ruhe“ oder „du kannst mich mal“, gilt jedoch als Beleidigung und kann sogar ein gerichtliches Nachspiel haben.
Man glaubt es kaum, aber im Laufe der Geschichte haben sich unzählige Gelehrte, Schriftsteller, Dichter, Analytiker, Künstler, Hygieniker, Mediziner und sogar Sozialreformer mit dem Thema der menschlichen Fäkalien beschäftigt.
Es ist allerdings noch gar nicht lange her, dass die Fäkalsprache als eigene Disziplin Eingang in die Wissenschaft fand. Im Jahr 1973 gründete der Philologe und Schimpfwortforscher Reinhold Aman, ein geborener Deutscher, in den USA die wissenschaftliche Disziplin der Malediktologie (vom Lateinischen »maledicere« für Schimpfen). Untersucht werden dabei die psychologischen, soziologischen, linguistischen und neurobiologischen Aspekte des Fluchens. Dabei kam Überraschendes zutage: Fluchen hilft uns, Aggressivität abzubauen oder Schmerzen zu lindern.
Vielleicht wussten das auch schon unsere berühmten Vorfahren – die Zahl derer, die trotz hohem Bildungsniveau Fäkalsprache ganz selbstverständlich verwendeten, ist groß.
Die Erotik des Stuhlgangs
Hier nur ein paar Beispiele: Der legendäre Till Eulenspiegel trieb allerlei Späße und Possen rund um seine Ausscheidungen, Martin Luther sprach und schrieb unbekümmert im Stile des so genannten Grobianismus, Wolfgang Amadeus Mozart wurde mitunter gar als Fäkal-Lyriker bezeichnet und war bekannt für seine derben Witze, Sigmund Freud schrieb von der Kloakentheorie (natürlich hat der Stuhlgang bei ihm eine erotische Komponente).
John Gregory Bourke setzte sich mit den „Kotgöttern“ diverser Religionen auseinander, Friedensreich Hundertwasser befasste sich ausführlich mit der „heiligen Scheisse“, die Aktionskünstler Günter Brus, Otto Muehl und Oswald Wiener defäkierten Ende der 60iger-Jahre in der Universität Wien und erklärten ihre Aktion zur Kunst. Die „Scheiße“ als Kunstobjekt war sicher ein höchst radikaler Zugang zum Thema, hat die umstrittenen Performancekünstler jedoch international bekannt gemacht.
Man sieht also, dass die Ausscheidungen der Menschen unsere Vorfahren in vielen Kulturen und Erdteilen beschäftigt haben, in der Sprache ebenso wie im täglichen oder künstlerischen Leben. Viele Berichte wurden dazu verfasst und viele Bücher geschrieben, was die Wichtigkeit des Themas widerspiegelt. Und bis heute zeigt sich im Sprachgebrauch: Die Fäkalsprache lebt! In diesem Sinne: Scheißt euch nichts.
Quellenangaben und weitere Infos zum Thema:
Die Hundertwassertoilette | 1975 – oeklo.at
Scheisskultur – Die heilige Scheisse von F. Hundertwasser – oeklo.at
Werner Piper (Hrsg), „Das Scheiss Buch. Entstehung, Nutzung, Entsorgung menschlicher Fäkalien“.
Florian Werner, „Dunkle Materie. Die Geschichte der Scheisse“, Nagel & Kimche im Carl Hanser Verlag, München 2011
John Gregory Bourke, „Der Unrat in Sitte, Brauch, Glauben und Gewohnheitsrecht der Völker“. Eichborn-Verlag, Frankfurt am Main, 1996.
Hans-Martin Gauger, Das Feuchte und das Schmutzige. Kleine Linguistik der vulgären Sprache. Verlag Beck, München, 2012