„Es war einfacher zu vögeln, als sich ein Frühstück zu organisieren“- schrieb der „Rolling Stone“ über das Woodstock-Festival. Vor 50 Jahren versammelten sich über 500.000 Menschen der Hippie-Bewegung zum legendärsten Musikfestival in der Geschichte und es gab gerade einmal 600 Festivaltoiletten. Ist das Bild, das uns in den Kopf springt, wenn wir an „Woodstock“ denken, wirklich so spektakulär wie es scheint?
Mittlerweile wissen wir, dass Michael Lang heimlich fünfmal so viele BesucherInnen erwartet hatte als geplant waren, zehnmal so viele gekommen sind und dass seine „Töpfchenpläne“ fürn A*sch waren. Es grenzt an ein Wunder, dass das Festival nicht damit geendet hat, dass sich Konzertbesucher gegenseitig mit menschlichem Kot bewarfen.
Zusätzlich zu der Tatsache, dass es pro 10.000 Konzertbesucher 3 Festivaltoiletten gab, begann ein strömender Regen, diesen Töpfchenüberlauf bis Samstag in einen fiesen Koteintopf zu verwandeln.
Das Chaos erstreckte sich bald über das gesamte Festival
Mit einem solch gewaltigen Besucherandrang hatte niemand gerechnet. Auf dem Gelände brach bald das Chaos aus. Schon nach einem Tag gab es an den Ständen kein Essen mehr, Trinkwasser wurde rationiert, die Festivalklos liefen über, nur Drogen aller Art waren reichlich zu haben.
Eine Gemeinde in der Nachbarschaft schmierte 30 000 Brote, Nachschub musste mit dem Hubschrauber eingeflogen werden. Auch weil die 600 Klohäuschen (für über eine halbe Million Menschen!!!) nicht annähernd ausreichten, waren die hygienischen Verhältnisse bald unbeschreibbar.
„Es war einfacher zu vögeln, als sich ein Frühstück zu organisieren“
– schrieb später das Musikmagazin „Rolling Stone“. Doch der Stimmung tat das keinen Abbruch. Vom improvisierten „Freedom! Freedom!“-Song des Folkmusikers Richie Havens bis hin zum spektakulären Auftritt von The Who ließ sich das Publikum drei Tage lang von den Flower-Power-Klängen mitreißen.
17-jähriger von Traktor überrollt
Während überall in Ekstase zelebriert wurde, kam es auch zu einem tragischen Unfall. Der siebzehnjährige Raymond Mizsak, saß am zweiten Tag des Festivals um 10:30 Uhr in seinem Schlafsack, als ein Traktor einen Wassertank bzw. Fäkaltank zum Entleeren schleppte. Dabei rollte der Traktor über ihn. Raymond lag bis über den Kopf verhüllt zwischen Müllsäcken und leeren Schlafsäcken und wurde vom Fahrer des Traktors einfach übersehen. Trotz Hubschrauberabtransport konnte ihm nicht rechtzeitig geholfen werden. Er war mit seiner Schwester gemeinsam auf dem Festival.
Auch sonst nur Pleiten …
Und dass es auch bei den Musikern einen Haufen Pleiten, Pech und Pannen gab, ging im Rausch des Hier-und-Jetzt unter.
„Ich war voll high und konnte nur zu Gott beten, dass er mich im Rhythmus hält“
… erzählt Carlos Santana, der damals gerade sein Debütalbum aufgenommen hatte. „Meine Gitarre fühlte sich an, als sei sie aus Gummi. Ich fühlte mich wie ein Lachs, der die Stromschnellen hochspringt.”
Hendrix, der bestbezahlte unter den Künstlerinnen und Künstlern in Woodstock, bestand darauf, als Letzter aufzutreten. Aufgrund der vielen Verzögerungen und Aufschübe startete das Konzert nicht wie geplant am Sonntagabend, sondern erst am Montag gegen 8.30 Uhr in der Früh, als bereits große Teile des Publikums abgereist waren, nur rund 5000(!!) Zuschauer haben sich den Main-Act angeschaut.
Das Woodstock in Zahlen
- 15. bis 17. August 1969, 150 km nordwestlich von New York
- 32 Künstler
- Gesamtgage: ~200 000$
- Bestbezahlt: The Who, Jimi Hendrix mit 12 500$
- Statt 50 000 fast 500 000 Besucher
- Eintritt 18$ für drei Tage, aber es gab keine Kassenhäuschen
- 250 Hektar Gelände mit 600 mobilen FestivaltoilettenWir haben mal nachgerechnet: Wenn ein Festivalbesucher im Schnitt 5-mal
am Tag auf die Toilette geht und sich jeweils um 0,3 Liter erleichtert, sind das
bei 500.000 Personen in 3 Tagen insgesamt 2.250.000 Liter Urin! Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass p.P. pro Tag ca. 150g Stuhl
hinzukommt, was nochmal ein Gewicht von 75.000 kg/Tag ergibt, wobei
Toilettenpapier etc. noch gar nicht eingerechnet ist.
- Keine Gewaltverbrechen, viele Drogendelikte
- Zwei Drogentote, zwei Geburten
- 5162 Besuche bei den Sanitätszentren, davon 797 wegen Drogenkonsums
- Schwül-heiß, viele Unwetter, Freitagabend 120 mm Niederschlag in 3 Stunden
- Gesamtkosten 2,4 Millionen Dollar
- 5 Tage Aufräumarbeiten
- Verkauf der Musik- und Bildrechte für 1,5 Millionen Dollar
- Einnahmen durch Vermarktung seither: 200+ Mio Dollar
- Verlust der Veranstalter: 1,5 Mio $ an einem Wochenende
Perfekte Bilder retteten das Image
Über 20 Kameraleute erstellten auf dem Festival über 100 Stunden Filmmaterial. Aus diesem Material wurde ein dreistündiger Film geschnitten. Bemerkenswert ist die Split-Screen-Technik, mit der teilweise bis zu drei Perspektivennebeneinander montiert wurden. Das eigentliche Festival war ein finanzielles Desaster, der Film konnte durch seine Einspielergebnisse jedoch einen Großteil des Verlustes ausgleichen, denn er brachte rund 5 Millionen Dollar innerhalb von nur 18 Wochen ein.
Im Zuge der Dokumentation entstand eine Szene vom Reinigungsmitarbeiter von Port-o-San, Tom Taggart, der nach der Filmausstrahlung die Filmemacher verklagt hatte, weil er angeblich nicht darüber Bescheid wusste, dass er gerade gefilmt wird. Der Ausgang der Klage war in unserer Recherche nicht herauszufinden, aber der Filmausschnitt existiert bis heute:
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Während der Soundtrack und der Film millionenfach Verbreitung fanden, etablierte sich in vielen Ländern die Idee, kleine Woodstocks zu organisieren. Ob auf der Isle of Wight, in Deutschland oder Polen, auf der ganzen Welt wird das Woodstock Festival als DAS Kult-Event in der Vergangenheit angesehen. Jedoch finden sich heutzutage zu wenig Anhänger, um es zu einem riesigen Spektakel werden zu lasssen.
Das ursprüngliche Woodstock entstand immerhin aus einer Friedens-Bewegung heraus. Die Menschen hatten genug vom Vietnamkrieg und entschlossen sich zu drei Tagen friedlichem Feiern bei weltklasse Musik.
Das originale Festivalgelände ist bis heute fast unverändert erhalten. Seit 2008 steht dort „The Museum of Bethel Woods“, 2017 wurde das gesamte Areal ins National Register of Historic Places als offizielles Kulturdenkmal der Vereinigten Staaten aufgenommen.
Wenn öKlo am Woodstock gewesen wäre
Eines ist klar, wir wären unter diesen Bedingungen auch gnadenlos untergegangen. Dennoch hätten wir das Beste aus der Situation rausgeholt und alle verfügbaren Ressourcen und Mittel mobilisiert, um die Situation ein wenig einzudämmen. Wir hätten provisorische Festivaltoiletten aus Karton oder mit Vorhängen bauen können, oder auch einfach nur unsere Behälter über das ganze Gelände verteilen, damit die Leute dort direkt ihr Geschäft verrichten können.
Wir wünschen keinem Unternehmer in solch eine Situation zu geraten, wo einfach alle Kalkulationen nach hinten losgehen und man vor einem unbewältigbarem Andrang steht. Ebenso wünschen wir auch keinem Veranstalter, dass er vor so einer Masse an Menschen steht, ohne vorher annähernd damit zu rechnen.
Es bringt im Nachhinein zwar nichts, einen Schuldigen für die Gesamtsituation zu suchen, aber wenn man es möchte, waren es eher die Unerfahrenheit und die unterdimensionierte Kalkulation der Veranstalter.
Zum Abschluss können wir eigentlich nur sagen, dass das Woodstock trotz der vielen Rückschläge und Hindernisse eine ganze Generation geprägt hat und das Sinnbild der „Make Love, not war“-Bewegung ist. Kein anderes Festival ist uns so in Erinnerung geblieben! Es muss echt eine spannende Erfahrung gewesen sein, das alles live miterlebt zu haben.
Peace!
Quellen:
https://www.youtube.com/watch?v=-V0OqUMoRP4 – Woodstock Port-O-San (FULL VERSION)
https://www.history.com/news/woodstock-music-festival-conditions-1969
https://de.wikipedia.org/wiki/Woodstock-Festival
https://www.hna.de/welt/woodstock-legende-wird-443364.html
https://www.apotheken-umschau.de/Darm/Stuhlgang-Was-die-Ausscheidungen-verraten-97445.html
https://orf.at/stories/3133558/
https://www.grunge.com/123016/messed-up-things-woodstock/?utm_campaign=clip
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